Ich bin Sabrina - eigentlich mal aus Frankfurt am Main, aber nun mit 29 Jahren mal wieder in das südlichste Bundesland Österreichs gezogen. Am liebsten wandere ich durch die rauen Berge und über grüne Almen, schwimme in türkisen Seen, klettere und bin als Yogalehrerin in Kärnten unterwegs.
Der raue Charme der ersten Wandertour des Jahres
Zell-Pfarre im Rosental
auf dem Weg zum Freiberg
Die Sonne scheint und verspricht angenehme Temperaturen für den heutigen Tag. Ich beschließe meine müden Glieder aus ihrem Winterschlaf zu holen und zum ersten Mal in diesem Jahr einen der umliegenden Berge ohne Skier zu besteigen.
Während im Klagenfurter Becken der Frühling schon mit voller Kraft die Landschaft erblühen lässt, hält sich der letzte Schnee hier oben in Zell/ Sele am Fuße der Karawanken wacker. Nur langsam kündigt sich das satte Grün des Frühlings an. Ein Blick auf die umliegenden Gipfel der Košuta im Süden, dem Obir im Osten, lässt die Entscheidung für heute auf den Setiče oder auch Freiberg genannt, fallen.
1922 Meter ist er hoch. Nicht unbedingt der berühmteste Gipfel des Tales, aber der angenehme Aufstieg zunächst durch den Wald entlang eines teils rauen aber malerischen ausgewaschenen Pfades und der traumhafte Ausblick vom Gipfel bringen ihn immer wieder in die engere Auswahl, wenn es um einen kleinen Ausflug in die Höhe geht.
Rund 1000 Höhenmeter durch Nadel und Laubwälder liegen vor mir. Ich starte direkt vom Haus am Fuße des Berges und nicht wie üblich vom Ortskern Zell-Pfarre. Der Forstweg führt mich ebenfalls zum Užnik Kreuz auf 1295 Metern.
Hier kann eine erste Pause eingelegt werden, aber die Sonne hat den Platz noch nicht erobert und so steige ich weiter den nun etwas steiler und schmaler werdenden Pfad hinauf.
Ein Bär soll hier in der Gegend gesichtet worden sein, aber bislang keine Spur. Die einzigen Tiere, die sich lautstark bemerkbar machen, sind die Vögel und laut summende Bienen und Hummeln, die den Vormarsch des Frühlings auch auf zirka 1300 Metern sicher ankündigen. An der Nikolaushütte, einer kleinen Jagdhütte, gönne ich mir dann doch eine kleine Pause, die Bergsteigermuskeln wollen langsam an die bevorstehenden Aufgaben gewöhnt werden. Von dem kleinen Rastplatz vor der Hütte hat man einen wunderschönen Ausblick ins Tal und auf die umliegenden Gipfel.
Nach der kurzen Erholung geht es weiter über dem schmalen Pfad. Eine eigene Stimmung ist auf diesem Stück zu spüren, der Wald ist zu dieser Jahreszeit noch nicht ganz aus dem Winterschlaf erwacht und Grau und Braun bestimmen das Farbbild. Rau und auf eigene Weise wild liegt der Weg vor mir.
Viele Wanderer hat es dieses Jahr noch nicht auf den Setiče gelockt und bald sehe ich auch warum. Es gilt die ersten kleinen Schneefelder zu überqueren. Immer wieder bahnen sich erste Schneerosen ihren Weg und erobern den braunen Waldboden für sich zurück. Wie kleine Farbtupfer säumen die verschiedenen Blumen meinen Weg und lassen erahnen, welche Blumenpracht sich im Sommer hier zeigen wird.
Zwischen Juni und Juli soll auf dem Nachbarberg, dem Hochobir, die größte Blumenvielfalt Europas zu finden sein.
Auch wenn der Sommer noch auf sich warten lässt, scheint mir die Sonne angenehm warm auf die Haut. Im Sommer kann dieser Teil des Weges am Südhang durch den immer lichter werdenden Wald sehr heiß werden. Heute staut sich nur langsam die Wärme und entfaltet den Duft der Nadelbäume, wie man ihn aus dem Sommerurlaub im Süden kennt.
Der Weg ist manchmal noch nicht ganz klar zu erkennen, aber bei erneutem Blick zeigen sich die ausgetretenen Spuren der letzten Jahrzehnte, die sich verlässlich den Berg hinauf schlängeln.
Der Hang ist steil, aber der Weg passt sich dem Geländer sehr gut an und so geht es zwar anstrengend, aber gut machbar hinauf. Mein Puls schlägt schon recht ordentlich und ich habe meine Slowenisch Lehrerin im Ohr „immer schön počasen" - was so viel heißt wie: „immer schön langsam".
An der Baumgrenze liegt der Schnee noch circa einen halben Meter hoch und zieht sich als weißes Band bis zum Gipfel. Ich bin froh, dass schon ein anderer Wanderer den Weg auf den Gipfel gewagt hat und ich in seine Fußstapfen treten kann.
Der Gipfel zeigt sich erst im letzten Moment und oben angekommen eröffnet sich mir das beeindruckende 360°C Panorama, das für alle Strapazen entlohnt. Im Norden erstreckt sich vor den Nockbergen das Klagenfurter Becken mit dem türkisfarbenen Wörthersee und der Drau, die sich mit gleicher Farbenpracht durch das Tal schlängelt.
In scheinbar greifbarer Nähe erhebt sich der Gipfel des Hochobir im Osten mit 2139 Metern, weiter süd-östlich die mächtigen Steiner Alpen. Direkt vor mir erhebt sich im Süden die 14 km lange Hirschkuh, was der Name dieses Gebirgsstocks „Košuta" wörtlich übersetzt bedeutet. Im Nord-Osten reicht der Blick an schönen Tagen sogar bis zum Großglockner.
Hier oben bläst der Wind noch kräftig, aber dank meiner warmen Jacke kann ich noch einen Moment verweilen. Im Gipfelbuch finde ich dann doch noch eine Spur vom Bären. Ein weiterer Eintrag lässt mich schmunzeln.
Ich packe mein Studentenfutter wieder ein und beginne den Abstieg. Er beginnt mit einer spaßigen Durchquerung des Schneefeldes. Ich hüpfe abwärts und während meine Zehen langsam kalt werden, wird mir warm ums Herz und ich freue mich wie ein Kind über den herrlichen Frühling und die bevorstehenden Touren dieses Jahr.