Drei große Komponisten hat es einst an den Wörthersee und nach Klagenfurt verschlagen. Einen für drei, einen für sieben Sommer und einen für die letzten beiden Jahre seines Lebens.
Text: Achim Schneyder
Fotos: Mirco Taliercio
Dieser Beitrag ist in SERVUS KÄRNTEN, einer Sonderausgabe von Servus in Stadt & Land, erschienen.
Johannes Brahms
Es sollte sich lediglich um einen kurzen Zwischenstopp handeln, als Johannes Brahms (1833–1897) am 7. Juni 1877 am Nordufer des Wörthersees ankam. Doch schon wenige Tage später schrieb der gebürtige Hamburger der von ihm ein Leben lang verehrten Clara Schumann, zu diesem Zeitpunkt bereits Witwe des Komponisten Robert Schumann, folgende Zeilen: „Erzählen will ich, dass ich in diesem Fischerdörfchen Pörtschach ausstieg, mit der Absicht, den nächsten Tag nach Wien zu fahren. Doch der erste Tag war so schön, dass ich den zweiten durchaus bleiben wollte, der zweite aber so schön, dass ich fürs Erste weiter bleibe.“
Johannes Brahms
Büste im Schloss Leonstain
Schloss Leonstain
Pörtschach am Wörthersee
Wie Gott ihn schuf
Brahms bewohnte anfangs die Hausmeisterwohnung des Schlosses Leonstain, heute ein vornehmes Hotel, in dessen Garten eine Büste an den großen Komponisten erinnert. Einen Sommer später übersiedelte er ins Krainerhäuschen gegenüber. Überliefert ist, dass Brahms stets nach einem morgendlichen Bad, bei dem er, wie Gott ihn schuf, in den See stieg, bereits vor fünf Uhr in der Früh sein Frühstück zu sich nahm, ehe er ans Komponieren ging. Zu Mittag speiste er schließlich im Weißen Rössl im Werzers, in dem er am Abend auch gerne trank und sich von prominenten Einheimischen Anekdoten erzählen und Kärntnerlieder vorsingen ließ. In einem Brief an seinen Verleger beschrieb er Pörtschach schließlich als den „Eingang zum Schönsten und Großartigsten“.
Drei Sommer lang ist Brahms geblieben. Die 2. Symphonie, auch Pörtschacher Symphonie genannt, ist in dieser Zeit entstanden. Und als Brahms’ Freund, der Wiener Chirurg Theodor Billroth, dieses Werk erstmals hörte, brach er in Jubel aus und schrieb: „Das ist ja lauter blauer Himmel, Quellenrieseln, Sonnenschein und kühler, grüner Schatten ...“
Gustav Mahler - Ein Häuschen im Wald
Der zweite im Wörthersee-Bunde war Gustav Mahler (1860–1911). Der hatte anno 1899 genug von den verregneten Sommern im Salzkammergut, sperrte seine Residenz in Steinbach am Attersee für immer zu und erwarb ein Grundstück in Maiernigg am Südufer des Wörthersees. Erst baute er im Wald sein Komponierhäuschen, 1901 war schließlich auch die Villa Siegel – im Fin-de-Siècle-Stil und direkt am Wasser – bezugsfertig.
Study nannte Mahler das Häuschen, das seine Frau Alma so beschrieb: „Es war nichts anderes als ein großes gemauertes Zimmer. Darin stand ein Flügel und auf den Regalen ein vollständiger Goethe und Kant. Außerdem an Noten nur Bach.“ Mahler selbst fand weit schönere Worte: „Diesmal ist es auch der Wald mit seinen Wundern und seinem Grauen, der mich bestimmt und in meine Tonwelt hineinwebt. Ich sehe immer mehr: Man komponiert nicht, man wird komponiert.“
Den Flügel gibt’s heute nicht mehr im Komponierhäuschen, das man zu Fuß durch den Wald vom See aus in knapp 20 Minuten erreicht und das als kleines Museum dient – mit Noten, Fotografien und Briefen an den Wänden.
Gustav Mahler
Komponierhäuschen
In einem Brief schrieb Mahler, der hier die 5., 6., 7. und schließlich auch noch Teile der 8. Symphonie komponierte: „Ich stieg in das Boot, und beim ersten Ruderschlag fiel mir das Thema zur Einleitung zum ersten Satze ein.“ Und weiter – die Villa war ja nicht winterfest: „Heute gehe ich fort von hier. Mit schwerem Herzen! Zu wissen, dass man wieder ein Jahr warten muss, ist traurig. Auch schon deshalb, weil ich mein Werk mittendrin stehen lassen muss – wie gewöhnlich.“
Blättert man in Alma Mahlers Buch „Gustav Mahler“, stößt man laufend auf Maiernigg, den See und Klagenfurt – so liest man von Heiterem, etwa vom Volksfest auf dem Kreuzbergl oder von den vielen übermütigen Bootsfahrten, aber auch von so Tragischem wie dem Ereignis vom 5. Juli 1907. An diesem Sommertag starb Tochter Maria Anna in Maiernigg an Diphtherie.
Gustav Mahler verließ daraufhin den geliebten Ort und kehrte nie wieder nach Kärnten zurück.
Alban Berg - Im Cabriolet um den See
Alban Berg
Im Cabriolet um den See
Der Dritte, den die Seeluft zu Großem inspirierte, war Alban Berg (1885–1935). Er lebte mit Ehefrau Helene ab 1933 in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod nicht weit von Maiernigg entfernt in Auen in einem Haus im Wald ein wenig oberhalb des Sees, das die beiden 1932 ersteigert hatten.
Hier komponierte Alban Berg seine unvollendete Oper Lulu sowie sein als Dem Andenken eines Engels bekanntes Violinkonzert, in das er auch ein einfaches Kärntner Volkslied verwob.
Die Legende erzählt, dass sich Berg, trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten, immer wieder von seiner Frau im heiß geliebten blauen Ford A Cabriolet rund um den See chauffieren ließ, die Gegend genoss – und, einen Notizblock auf den Knien, komponierte.
Im Einklang mit der Region
An Alban Berg erinnert lediglich eine Büste vor dem Gemeindeamt in Schiefling am Wörthersee; das stattliche Haus auf großem Grund ist der Öffentlichkeit hingegen bis auf wenige Ausnahmen nicht zugänglich. Das kleine Study von Gustav Mahler wiederum ist eine regelrechte Pilgerstätte, während man auf dem eigens angelegten Brahmsweg auf Johannes’ Spuren wandeln kann.
Dieser Weg führt den Wanderer nicht zuletzt hinauf zur Großen Gloriette, einem gemauerten Pavillon, von wo aus man – auf Knopfdruck begleitet von Brahms-Klängen – einen wahrlich sagenhaften Blick über den See hat. Und spätestens jetzt wird einem klar, warum dieses musikalische Trio mit der Region so im Einklang war.
Es ist ein Paradies, das sich auftut, und man spürt regelrecht, wie die Musik in der Luft liegt.