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c_Johannes_MoserDurchs Hochmoor zum Schwarzsee
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c_Johannes_MoserBeim Schwarzsee angekommen
Ein Sonne-Wolken-Gemisch am Himmel. Eine leichte Brise weht über den Scheitelpunkt der Turracher Höhe, die Kärnten und die Steiermark verbindet. Ideale Bedingungen für eine entspannte Wanderung durch den idyllischen Zirbenwald der Nockberge. Begleitet werden wir von einem sogenannten „Almbutler“. Wird das also heute mein Einstieg in die Upper Class des sanften Bergwanderns? An der Talstation der Kornockbahn wartet bereits ein stattlicher Mann, gut behütet von einer handgemachten Kopfbedeckung aus Filz und in Lederhosen auf uns. Sein Schuhwerk verrät: der geht heute wandern. „Almbutler“ steht auf seiner Trachtenweste. „So nennt man die Bergwanderführer hier auf der Turrach“, begrüßt uns der Auskenner und stellt sich als Christian vor. Auf der Turracher Höhe gibt es 20 Nächtigungsbetriebe, die sich dem Butler-Programm angeschlossen haben und ihren Gästen damit eine Eintrittskarte in die Natur bieten. „Wir kennen die Gegend, erzählen Geschichten und bringen das gewisse Etwas in jeder noch so großen Bergtour“.
Ein Bergwanderführer mit besonderen Vorzügen, denke ich mir, und ehe ich mich versehe, liefert ebendieser schon die ersten Fakten zur Turracher Höhe. „Wir befinden uns hier im größten zusammenhängenden Zirbenwald Österreichs. Die Zirbe wächst nur sehr langsam, ist aber eine zähe Kämpferin gegen Wind und Wetter und wird daher auch als Königin der Alpen bezeichnet.“ Die lange Geschichte des steirisch-kärntnerischen Grenzgebiets erzählt außerdem vom Bergbau, der hier noch bis ins 20. Jahrhundert Wirtschaftszweig war und auch von der Besetzung durch die Engländer nach dem zweiten Weltkrieg. Diese waren es auch, die den ersten Skilift an den Hängen des Kornocks anlegten, der heute noch in Betrieb ist und nach wie vor den Namen „Engländer-Lift“ trägt. „Wird es noch aufreißen?“, fragen wir Christian. „Spätestens dann, wenn wir wieder in Kärnten sind. Der Start der Tour liegt nämlich auf steirischem Boden.“
Und so starten wir auf einem komfortablen Weg, der nur sanft ansteigt, in Richtung Nordwesten zum Schwarzsee. Auf der Suche nach sportlichen Höchstleistungen ist man hier falsch: „Am 3-Seen-Weg nehmen wir uns Zeit für ebenjene, die wir vielleicht im Alltag nicht haben“, verspricht der Guide. Die Tour ist nämlich kein hochalpiner Dauerlauf, sondern eher eine gemütliche Wanderung für alle Sinne - besonders für den Geschmackssinn. Schon nach einer knappen halben Stunde stehen wir vor dem „Hüttenplatzerl“, das, wie zahlreiche Grün-Weiße Panther (das steirische Wappentier) bezeugen, unverkennbar in der Steiermark liegt. Auch der singende Dialekt, in dem wir herzlich begrüßt werden, lokalisiert Familie Putzenbacher eher nördlich der Grenze.
Es ist 10:00 Uhr am Vormittag. „Die beste Zeit für das erste Zirberl!“, hören wir lautstark. Und schon bringt Wirt Gerhard uns ein leuchtend rotes Getränk in Stamperln an den Tisch. „Ein ganz Milder!“, so sein Zusatz, den man heimischen Schnapsproduzenten oft hört. Diesmal sollte er recht behalten. Das intensive, leicht harzige Aroma entfaltet seine Wirkung am Gaumen und lässt uns den Wald förmlich schmecken. Nach dem kurzen, aber eindrucksvollen Boxenstopp passieren wir das Hochmoor vor dem Schwarzsee, auf über 1800 Metern Seehöhe. „Die Turracher Höhe ist durch ihre Lage einerseits im Winter schneesicher, andererseits im Sommer ideales Ziel für hitzegeplagte Städter“, weiß Christian, während wir schon hinter den, eh klar, Zirben den Schwarzsee erblicken.
Seidig wirkt die Wasseroberfläche des Schwarzsees, der als Moorsee nur maximal vier Meter tief ist. Ein Bankerl lädt zum Innehalten ein und setzt den wohl bekanntesten Ausblick der Nockberge in Szene. Eine ausnahmsweise einsame Zirbe, in einer Sichtachse zum Eisenhut, dem höchsten Nockberg, und dazwischen der Schwarzsee. „Vor dem Selfie-Zeitalter haben wir hier sogar einen eigenen Steher aus Holz für Selbstauslöser-Fotos installiert“, erzählt Almbutler Christian nostalgisch. Nach einer eindrücklichen Rast sind wir einerseits traurig, diesen Ort schon verlassen zu müssen, ziehen aber frohen Mutes weiter, denn:
Es warten noch zwei Seen auf uns. Nichtsdestotrotz macht Wandern hungrig und auch wir spüren schon den ersten Anflug eines Magenknurrens. Ein Glück, dass die nächste Genussadresse unmittelbar vor uns liegt: die Karlhütte. Aussichtsreich und reich mit Blumendekor verziert liegt sie nur etwa 100 Meter vom eigentlichen 3-Seen-Weg entfernt und ist, so der weise Rat des Almbutlers, besonders bekannt für ihren Kaiserschmarrn. Ebendiesen verkosten wir gemeinsam. Ein Schmarrn, vier Gabeln lautet die Devise für unsere vierköpfige Wandertruppe, während der Butler akribisch die Rosinen aus der Süßspeise zur Seite legt. „Ich mag Weintrauben lieber in flüssiger Form“, schmunzelt Christian und nimmt einen Schluck von seinem weißen Spritzer.
Gut gestärkt machen wir die paar Meter zum Grünsee. Dessen leuchtende smaragdgrüne Farbe wird durch sogenannte Armleuchteralgen, die an seinem Grund wachsen, erzeugt. Auf einer Aussichtsplattform erleben wir den wie einen Opal im Wald liegenden See in seiner vollen Pracht. „Reinhüpfen?“ „Ein Bad würde ich hier eher Kaltbadern empfehlen. Aufgrund des starken Durchflusses durch den Bach ist der Grünsee der mit Abstand frischeste der drei“, rät uns der Turrach-Experte. Vom Grünsee Richtung Turracher See passieren wir wieder eines der urigen Feriendörfer, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Der Schritt ist langsam und bewusst und irgendwie sind wir durch die bunten Eindrücke etwas ruhiger geworden und fühlen uns viel freier und ungebundener.
Es ist schon spannend, was zwei Stunden im Wald mit dem Körper machen. Almbutler Christian, der früher in einer Bank tätig war und nun Gästen und Einheimischen die Natur erklärt, hat noch eine weitere Geschichte für uns parat. „Die Zäune hier am Rand sind typisch für die Nockberge und erfordern viel handwerkliches Geschick. Die Ringe, die die einzelnen Steher miteinander verbinden, werden stark erhitzt und so elastisch in ihre Form gebraucht.“ Zaunringbraten nennt man diese Tätigkeit – ein Handwerk, das hier in der Region noch sichtbar praktiziert wird.
Wir verlassen den Wald und befinden uns am größten und am besten erschlossenen der drei Seen auf der Turrach. „Der Turracher See friert im Winter verlässlich zu, teilweise wird das Eis bis zu sieben Meter dick. Dann bietet das Hotel auf der anderen Seeseite mit dem Skidoo einen Shuttle zur Straße an“, berichtet der Almbutler, während wir uns fragen, ob ein Sprung ins kühle Nass ob der Tatsache, dass sich Wolken vor die Sonne geschoben haben, Sinn macht. „Normalerweise springen nur Norddeutsche oder Niederländer in den Turracher See. Die sind von Nord- und Ostsee auch keine hohen Temperaturen gewöhnt“, lacht Christian. Die klassische Probe - nackter Fuß in kaltem See - ergibt für mich das Fazit, heute eher nicht baden zu gehen. „Maximal 14 Grad hat er – ich war gestern drin!“, ruft ein Mann mittleren Alters von der anderen Seite der Halbinsel, die mit Kunst von heimischen Holzbildhauern verziert ist. Heute verlasse ich mich also auf meine Sinne und bleibe im Trockenen. Obwohl, nicht ganz.
Der „Bergwanderführer mit besonderen Vorzügen“, auch bekannt als „Almbutler“, zieht ein rot leuchtendes Flascherl aus seinem Rucksack. „So bewundern wir die Königin der Alpen nicht nur äußerlich, sondern können sie uns auch einverleiben!“ Zirbenschnaps Nummer zwei, noch etwas süßlicher und harmonischer, fließt genussvoll durch unsere Kehlen und sorgt unisono für einen erleichternden Seufzer der glücklichen Art. Drei Seen, duftende Zirben im Wald und im Glas, offene Herzen und viel praktisches Wissen mehr – schon erstaunlich, wie viele Eindrücke in zweieinhalb Stunden Wandern auf der Turracher Höhe passen.
Bilder, Text: Johannes Moser
Schreiben, Fotografieren, Bergsteigen, Essen, Trinken – das sind nur ein paar meiner Hobbys. Ein großer Vorteil ist, dass sich alle diese Tätigkeiten in Kärnten und im gesamten Alpen-Adria-Raum vorzüglich miteinander verbinden lassen.
Nahezu jedes freie Wochenende nutze ich für Bergtouren oder Roadtrips, da meine Lust am Sammeln neuer Eindrücke nahezu grenzenlos ist. Nebenbei arbeite ich noch als Diplom-Biersommelier und helfe so Interessierten, neue Genusserfahrungen zu machen.