Sommerhoch statt Sommerloch, Temperaturen jenseits der 30 Grad und ein fetzblauer Himmel: So sieht die Prognose für die nächsten Tage aus. Während einen diese Konditionen in Städten oftmals dahinschmelzen lassen, bieten die Berge durchaus eine angenehme Kühle. Die Dreitausender sind in den Ostalpen das höchste der Gefühle, was Bergerlebnisse betrifft und Kärnten verfügt über einige der schönsten Vertreter davon. Ankogel, Hochalmspitze, Großglockner: Das sind nur drei klingende Namen, die ambitionierte Alpinisten mit der Zunge schnalzen lassen. Doch der Einstieg ins Hochgebirge erfordert einiges an Kondition, eine gewisse Akklimatisierung und natürlich auch eine Portion Mut.
Nachdem die Sonne vom Himmel lacht und die Zeit es erlaubt, möchte ich ihn mir erfüllen, den Traum vom Dreitausender. Und dafür begebe ich mich zuerst auf die Schiene. Das Bergsteigerdorf Mallnitz im Herzen des Nationalparks Hohe Tauern, dem größten Schutzgebiet der Alpen, lässt sich durch seine Lage an der Tauernbahn nämlich alle zwei Stunden aus Salzburg oder Klagenfurt bequem mit der Bahn erreichen. Die erlebnisreiche Zugfahrt führt quasi direkt von der Zivilisation ins Hochgebirge. Mit dem Wanderbus ist es ins Dösental nur noch ein Katzensprung und schon winkt einem, ganz zart und noch scheinbar sehr fern, die mächtige Felspyramide entgegen, auf der man am nächsten Tag stehen möchte:
Das Säuleck, 3.086 Meter hoch, Hausberg des Arthur-von-Schmid-Hauses und faszinierende Aussichtskanzel inmitten der Ankogelgruppe in den Hohen Tauern.
Gletscherquerungen, ausgesetzte Passagen, lange Zustiege: das Hochgebirge muss man sich erarbeiten. Professionelle Hilfe liefert hier ein Bergführer. Diese Navigatoren der Berge kennen sich auf lichten Höhen besser aus als Otto Normalverbraucher am Dachboden und sind erste Anlaufstelle bei ambitionierten Bergtouren.
„Habe die Ehre!“, begrüßt uns Alois Krenn, den alle nur „Lui“ rufen, am Parkplatz im Dösental. Dieses vom Dösen Bach durchflossene Hochgebirgstal, das am Säuleck gipfelt, gilt es nun an zwei Tagen per pedes zu durchqueren. Knapp 1.700 Höhenmeter und 19 Kilometer sind dabei zu überwinden. Diejenigen, die das Säuleck als „Damen-Dreitausender“ bezeichnen, sorgen bei Lui für Kopfschütteln: „Klar ist das Säuleck bei guten Verhältnissen im Sommer für einen Dreitausender relativ einfach zu besteigen. Dennoch handelt es sich um einen hochalpinen Berg, der mit ähnlichen Herausforderungen aufwartet wie andere Gebiete in dieser Höhe.“ So kann die Orientierung bei Wetterumbrüchen äußerst schwerfallen. Gute Planung ist also genauso wichtig wie der Respekt vor der Aufgabe, die man bereits beim Aufstieg entlang des rauschenden Dösen Baches, stets frontal im Blick hat.
Angekommen am Arthur-von-Schmid-Haus auf 2.281 Metern Seehöhe präsentiert sich eine imposante Arena an Tauernschönheiten, deren Spiegelbild sich in den glasklaren Dösner See erweitert. Spätestens hier hält man inne und begreift, die Zivilisation, den Alltag und dessen Kleinigkeiten hinter sich gelassen zu haben. Was bleibt ist die Achtung – vor den Naturschönheiten der Hohen Tauern genauso wie vor der Aufgabe, die vor einem liegt.
Das Arthur-von-Schmid-Haus wacht schon seit 1911 über den Dösner See und trotzt seit dem Wind und Wetter im Hochgebirge. Eigentümer ist die Sektion Graz des Österreichischen Alpenvereins. „Das ist eigentlich die Ausnahme. Der Großteil der Hütten rund um Mallnitz gehört Sektionen des Deutschen Alpenvereins. Zu Beginn des Alpinismus verfügten die Deutschen über die finanziellen Mittel, um die Berge mit Schutzhütten zu erschließen“, erzählt Lui uns bei herrlich mundenden Spinatknödeln und einem ansprechend temperierten Hopfengetränk – zwei kulinarische Hüttenklassiker. Und an ebenjenem Beginn des Alpinismus spielte das Dorf Mallnitz eine nicht zu unterschätzende Rolle. „Der Ankogel wurde bereits Mitte des 18. Jahrhunderts erstbestiegen, in etwa zur gleichen Zeit wie der Großglockner. Somit kann man Mallnitz und seine Täler in den Hohen Tauern durchaus als Wiege des Alpinismus bezeichnen.“ Und auch heute haben das Bergsteigerdorf sowie seine Tauernriesen noch die Aura dieser Zeit, auch wenn sich die Ausrüstung in den letzten Jahrhunderten geändert hat.
„Für das Säuleck braucht man im Sommer weder Pickel noch Steigeisen, gutes Schuhwerk und entsprechende Kleidung ist jedoch unerlässlich“, gibt uns Lui im Rahmen des entspannten Hüttenabends noch die notwendigen Adjustierungstipps. Die Atmosphäre ist entspannt, an einem Tisch plaudert man über Erlebtes am Berg, daneben spielt eine Familie Karten, im Eck wird fast meditativ ein Puzzle zusammengestellt. Der Flugmodus, der beim Smartphone ob des nicht vorhandenen Handyempfangs in der Hütte gar nicht erst aktiviert werden muss, stellt sich nach und nach auch bei den Hüttengästen ein – sie gehen in jeder Hinsicht „offline“.
Um etwa 21:30 Uhr heißt es praktisch „Last Order“, um 22:00 Uhr wandern die Bergschuhe in den Trockenraum und man selbst ab ins Schlafgemach: Hüttenruhe. So wird garantiert, dass die ambitionierten Bergfexe auch die nötige Mütze Schlaf bekommen.
5:00 Uhr morgens, Lui weckt uns mit einem dezenten, aber doch deutlichen: „Morgen!“. Kurzes Hüttenfrühstück, auf geht’s!
Der See wirkt am frühen Morgen noch stiller und seidiger als er gestern Abend war, die ersten Höhenmeter gelingen mit einer ungeahnten Leichtigkeit. Die ungewohnte Stille wirkt ansteckend und lässt die mächtigen Gesteinsformationen noch erhabener wirken. Stetig hüpfen wir über Blöcke aus Granit, Gneis und Schiefer und beweisen dabei Trittsicherheit und Koordination - beides ist Grundvoraussetzung für die Tour.
Angekommen an der Grazer Scharte stehen wir unmittelbar am Gipfelaufbau und werfen einen ersten Blick auf die Hochalmspitze, die prominente Nachbarin des Säulecks. „Ein rundum vergletscherter, wunderschöner Berg“, sagt Lui mit leuchtenden Augen. Nicht umsonst wird die Hochalmspitze auch als „Tauernkönigin“ bezeichnet.
Gut 100 Höhenmeter später leuchten auch unsere Augen: Das Säuleck ist erklommen, die Bergtäler liegen uns zu Füßen. Das dreifaltige Gipfelprogramm, bestehend aus Foto beim Gipfelkreuz, Eintrag ins Gipfelbuch und anschließender Gipfelrast fühlt sich gewohnt, aber auf 3.086 Metern Seehöhe nochmals besonderer an.
Harmlose Schleierwolken, nur wir am Dach des Dösentals – wo gibt es das im hektischen Alltag sonst noch? Doch eine Tour ist erst absolviert, wenn man sicher im Tal ist, und „bezwingen“ lassen sich die mächtigen Gesteinspyramiden schon gar nicht. Der Abstieg über den letzten Blockgletscher der Ostalpen, bei dem Permafrost unter einer gewaltigen Masse an Gestein liegt, gestaltet sich nämlich als nicht minder anspruchsvoll. Mit wachem Geist hüpft man von Fels zu Fels und prüft dabei mehrmals die Reibung der Schuhsohlen.
Der Abstieg zum Arthur-von-Schmid-Haus fällt im Vergleich zum Aufstieg wesentlich besinnlicher und weniger gesprächig aus. Man hat schon zahlreiche Kilometer in den Beinen, die koordinativen Fähigkeiten in der Steinwüste fordern Körper und Geist. Schon bald blickt man auf den tiefblauen Dösner See und seine Schutzhütte, die in der naturbelassenen und rauen Hochgebirgslandschaft, wo nahezu kein Graserl mehr wächst, wie ein kleiner Tupfer menschlichen Lebens wirkt.
Nach der Stärkung mit der Königin der gepflegten Hüttenkulinarik, einer herrlich duftenden Kaspressknödelsuppe, geht es danach zurück in mehr von Menschen besiedelte Gefilde. „Sind wir das echt alles raufgegangen?“ fragen wir uns beim Abstieg heimlich, während die Sonne beim Schreiten ins Tal auch beim Aufenthalt im Hochgebirge die Schweißproduktion ordentlich ankurbelt. Was bleibt ist der Respekt vor dem Berg, das Füllhorn an Glücksgefühlen, die ein Gipfelsieg am Dreitausender ausschüttet, und die Gewissheit, diese einmalige Dosis Lebenszeit perfekt genutzt zu haben. Bei der Rückreise in die Zivilisation, natürlich wieder per Bahn, macht sich die körperliche Belastung dann doch bemerkbar.
Ich lehne mich zurück, als sich plötzlich mein digitaler Coach am Handgelenk meldet: „Du sitzt schon zu lange!“ „Echt jetzt!?“, denke ich mir, überschlage die Beine und plane bereits meine nächste Tour ins Hochgebirge. Mein erster Dreitausender wird sicher nicht der letzte bleiben.
Termine:
22.-23. Juni, 13.-14. Juli, 10.-11. August und 7.-8. September 2024
Ausgangspunkt:
Am 2. Tag beim Arthur-von-Schmid-Haus - der Bergführer wartet dort.
Dauer | Schwierigkeit:
2 Tages-Tour (Aufstieg zum Gipfel am 2. Tag) - mittelschwere Wanderung
Preis:
€ 203,- pro Person im Lager (Einzelkoje)
€ 215,- pro Person für Bett im Mehrbettzimmer
€ 10,- Ermäßigung für AV-Mitglieder
Leistung:
Führung durch staatlich geprüften österreichischen Bergführer (ab Arthur-von-Schmid-Haus), max. 8 Personen.
Übernachtung inkl. Abendessen und Frühstücksbuffet im Arthur-von-Schmid-Haus.
Wandertaxi ab Bahnhof Mallnitz zum Parkplatz Dösental oder Parkgebühr für den Parkplatz Dösental.
Erforderliche Ausrüstung:
Outdoor-Bekleidung inkl. Regenschutz und warmer Jacke, feste Bergschuhe, Wanderstöcke, Sonnenschutz, Trinkflasche (mind. 1 Liter), Hüttenschlafsack für die Übernachtung, Handy
Anmeldung:
Eine Anmeldung zur Tour ist bis 3 Tage vor Tourstart erforderlich:
tourismus@nationalpark-hohetauern.at
Telefon: +43 4824 2700
Bei Schlechtwetter ist eine Programmänderung möglich. Es kann sich auch durch kurzfristige unvorhergesehene Naturereignisse der Zustand der Wege etc. jederzeit ändern.
Minimale Teilnehmeranzahl 2 Personen, maximal 8 Personen
Online-Buchung:
Weitere Magische Momente
Bilder, Text & Video: Johannes Moser
Schreiben, Fotografieren, Bergsteigen, Essen, Trinken – das sind nur ein paar meiner Hobbys. Ein großer Vorteil ist, dass sich alle diese Tätigkeiten in Kärnten und im gesamten Alpen-Adria-Raum vorzüglich miteinander verbinden lassen.
Nahezu jedes freie Wochenende nutze ich für Bergtouren oder Roadtrips, da meine Lust am Sammeln neuer Eindrücke nahezu grenzenlos ist. Nebenbei arbeite ich noch als Diplom-Biersommelier und helfe so Interessierten, neue Genusserfahrungen zu machen.