Der Zauber der Nacht
Wenn es Nacht wird im Mölltal…
Wasser: Quell allen Lebens und ewiges Symbol für den Fluss der Zeit. Das blaue Herz unseres Planeten, ein Element im stetigen Wandel. Mal sanft, mal tosend erscheint es auf Erden in tanzenden Wellen, flüstert Geheimnisse in stille Seen oder bahnt sich als majestätischer Wasserfall durch beeindruckende Schluchten seinen Weg ins Tal. Wegen Letzterem bin ich heute ins Mölltal gekommen. Ausgehend von Obervellach erwartet mich im sanften Licht der Dämmerung ein besonderes Naturschauspiel: Eine Nachtwanderung in der sagenumwobenen Groppensteinschlucht. Schon von weitem hört man das kraftvolle Rauschen des Wassers, die aufgeladene Luft füllt meine Lungen mit frischer Energie. Sofort ist mein Geist hellwach und voller Vorfreude auf dieses Abenteuer.
Es ist 21 Uhr, als uns Bergwanderführerin Sylvia Granitzer herzlich begrüßt. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Anita wird sie uns die nächsten drei Stunden begleiten. Den Eingang zur Groppensteinschlucht markiert ein markanter, historischer Mautturm, der bereits im Jahr 5 nach Christus erstmals erwähnt wurde. Römer, Kelten und später Säumer zogen an ihm vorbei, um über die Berge der Hohen Tauern gen Norden zu wandern. Sylvia erklärt sogleich: „Das Wort Tauern bedeutet Übergang.“ Die Gründe für den beschwerlichen Weg waren vielfältig: Eroberungszüge, Handelsabkommen, Rückkehr aus rauen Kriegszeiten. Dieser historische Boden hat die Kultur des Mölltals geprägt, deren Bewohner neugierigen Gästen stets mit Stolz von ihrer Heimat und Geschichte erzählen.
Die zwei Bergwanderführerinnen Anita Obermoser und Sylvia Granitzer begleiten uns.
Im Licht der Dämmerung begeben wir uns in die magische Groppensteinschlucht.
Im Schein der Stirnlampen
Die Groppensteinschlucht selbst ist ein Relikt der letzten Eiszeit. Über Jahrtausende formte der erhöhte Schmelzwasserfluss durch den Gletscherrückgang ihr heutiges Antlitz. Im Wasser des Mallnitzbaches finden sich nach wie vor zahlreiche Mineralien, die durch die vielen Fontänen in die Luft gelangen und eine Wohltat für unsere Bronchien sind. "Atmet tief und bewusst ein, wenn ihr in der Schlucht seid, ihr werdet den Unterschied sofort spüren", rät uns Sylvia, bevor sie uns mit Stirnlampen ausrüstet und noch einige Tipps für das richtige Verhalten auf dem Weg gibt: "Geht langsam, macht kleine Schritte. Die Route ist in der Nacht etwas herausfordernder als bei Tag. Genießt die Eindrücke, lasst die Schlucht mit allen Sinnen auf euch wirken. Die Zeit dafür haben wir." Und dann geht es los.
Das fünfsinnige Haupt lädt uns ein, den Weg mit allen Sinnen zu genießen.
Eine der ersten Lichtinstallationen machen neugierig auf das bevorstehende Abenteuer.
Die Sonne ist längst hinter den mächtigen Dreitausendern des Nationalparks versunken, und die letzten Vogelstimmen verstummen allmählich. Das Rauschen des Baches wird hingegen immer lauter, während wir uns im Schein unserer Stirnlampen auf den Weg machen. Unser Ziel: die Schlucht, die für diese Nachtwanderung mit besonderer Beleuchtung einzigartig inszeniert wird, ganzheitlich zu erkunden. Wenige Augenblicke später stehen wir vor Samson, einer riesigen Metallskulptur, welche in allen Farben die Nacht erleuchtet und uns anleitet, mit allen Sinnen durch die Schlucht zu gehen.
Wie klein der Mensch doch ist
Während wir entlang der eindrucksvollen Wassermassen unseren Weg über Brücken, Stege und schmale Pfade fortsetzen, wird mir erneut bewusst, wie klein der Mensch im Vergleich zu den mächtigen Elementen der Natur ist und mit welchem Respekt wir ihnen begegnen sollten. Automatisch gehe ich vorsichtiger, spüre eine wachsende Demut und merke, wie meine Gedanken sich zu befreien scheinen. Emil, ein Einheimischer, der die Tour heute gemeinsam mit uns macht, blickt nachdenklich ins Wasser und teilt eine Weisheit seiner Großmutter mit mir: "Bei traurigen Gedanken sollst du dich ans Ufer eines Baches setzen und deinen Blick über das klärende Wasser schweifen lassen. Der stetige Fluss nimmt negative Gedanken mit sich und lässt dich befreiter in den Alltag zurückkehren." Schweigend setzen wir unseren Marsch fort, bis wir alle wie angewurzelt stehen bleiben. Vor uns entfaltet sich in geballter Kraft und Schönheit der Groppensteinfall.
Prächtig beleuchtet stürzt er majestätisch rund 30 Meter ins Tal hinab. „Die klare und mit Mineralien angereicherte Luft ist ein wahrer Gesundbrunnen für Körper und Geist“, erklärt Sylvia. Dankbar für diese unvergesslichen Eindrücke wandern wir weiter. Dank der großartigen Steiganlagen bleiben wir stets nahe am Bach, trinken frisches Quellwasser, überqueren wundervoll beleuchtete Brücken und lassen uns von den Spiegelungen im Wasser verzaubern. Wir genießen die mystische Atmosphäre umgeben von stolzen Fichten, deren Wipfel hoch über uns im Nachthimmel zu verschwinden scheinen. Nach und nach verschmilzt der Bach mit der Dunkelheit und nach gut anderthalb Stunden verlassen wir die Schlucht. Das tosende Rauschen des Wassers verklingt langsam und leise, wie das Finale einer Oper.
Der imposante Groppensteinfall stürzt hier 30 Meter in die Tiefe.
Im Schein der Stirnlampen geht es durch die beleuchtete Schlucht
Vom Glück mit dem Glück
Bevor wir die Schlucht verlassen, zeigt uns Sylvia einen großen Felsen, der als Wunschstein bekannt ist. „Wer seine Hand auf diesen Stein legt, darf sich etwas wünschen“, erklärt sie. „Mein Wunsch ist bereits in Erfüllung gegangen“, ermutigt sie uns. Jeder von uns nimmt sich einen Moment der Einkehr, bevor wir zum Ranacher Hof aufbrechen. Dort erwartet uns eine köstliche Jause zur Stärkung.
Das frische Quellwasser belebt die Sinne.
Vor dem Ausstieg aus der Schlucht genießen wir noch den Anblick auf den kraftvollen Zechnerfall.
Im warmen Schein des Lagerfeuers genießen wir im Garten der Familie Ranacher ein wahres Slow-Food-Erlebnis. Es gibt hausgemachten Schinkenspeck, köstliche Salami, würzigen Glundner Käse sowie Leberwurst- und Kräuteraufstrich. Dazu serviert man uns frischen Holundersaft und für die Naschkatzen steht ein klassischer Kärntner Reindling bereit. So klingt der Abend genüsslich und gemütlich aus.
Gestärkt verabschieden wir uns und marschieren im Schein der Nacht talwärts. Die Lichter von Obervellach weisen uns dabei den Weg und als abschließendes Highlight führt uns Sylvia vorbei an der Burg Groppenstein mit ihrer angrenzenden Kapelle. Diese imposante Felsenburg thront hoch über Obervellach und gibt der Groppensteinschlucht ihren Namen. So fügt sich am Ende alles harmonisch zusammen und lässt diesen Abend wahrhaft vollkommen erscheinen.
Gut zu wissen
Für Tagesbesucher ist die Groppensteinschlucht generell von Mai bis Ende Oktober geöffnet.
Der Eintritt beträgt für Erwachsene 9 Euro, für Kinder 6 Euro. Mit der KärntenCard ist der Eintritt untertags frei.
Mit Kinderwägen ist die Schlucht nicht begehbar, Hunde sind willkommen, für Rollstuhlfahrer ist der Weg ebenfalls nicht geeignet. Die Schlucht sollte nur in eine Richtung begangen werden.
Bei Schlechtwetter und starkem Regen bleibt die Schlucht geschlossen.
Buchbares Angebot: Geführte Nachtwanderung „Zauber der Nacht“
Wochentag:
Dienstag | Juni bis 1. Oktober 2024
Freitag | 19. Juli und 9. August
Ausgangspunkt:
Mautturm | Eingang Groppensteinschlucht Obervellach
Startzeit | Dauer:
Start ist jeweils um 21 Uhr, ab 3. September geht es bereits um 20 Uhr los.
Die Dauer beläuft sich auf rund drei Stunden, wovon 1,5 Stunden auf die reine Gehzeit entfallen. 230 Höhenmeter werden dabei überwunden.
Preis:
€ 32,- / Erwachsener und € 21,-- / Kinder bis zum Jahrgang 2008
Geeignet für Kinder ab 8 Jahren
Leistung:
Wanderung mit Bergwanderführerin Sylvia Granitzer, Leihausrüstung sowie die Brotzeit mit Getränk aus hauseigenem Hoferzeugnis
Erforderliche Ausrüstung:
Festes und stabiles Schuhwerk sowie wetterfeste Kleidung, ein Tagesrucksack mit Getränk und eventuell Wanderstöcke werden empfohlen.
Anmeldung:
bis jeweils 12:00 Uhr am Vortag
Info- & Buchungscenter Obervellach
Tel.: +43 4824 2700-30 | info@obervellach.at
Online-Buchung:
Bilder und Texte: Sabine Ertl, Peter Maier
Autorenvorstellung: Sabine Ertl
Ich bin selbstständig mit meiner Werbeagentur Gedankenschmiede ... weil ... ich meinen kreativen Gedanken gerne freien Lauf lasse. Mit Wandern, Laufen, Reiten, Bergsteigen, Reisen und neue Wege entdecken verbringe ich meine Freizeit.
Das besondere an der Kärntner Natur ist für mich die einzigartige Vielfalt verpackt in einer unvergleichbaren, bestechenden Schönheit. Das fasziniert mich an Kärnten am meisten: Der Süden spielt wirklich alle Stücke, man muss sich lediglich darauf einlassen. Ich für meinen Teil erlebe das jeden Tag aufs Neue – und das macht Kärnten für mich nun mal so einzigartig lebenswert.
Lieblingszitat: ... alle sagten: „Das geht nicht.“ Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s einfach gemacht.