Wie ein ruhiger Fluss plätschert die Genusstour am Weissensee vor sich hin. Und irgendwo zwischen Floßfahrt und gemütlichem Spaziergang lässt sie dabei ganz ohne große Anstrengungen die Ruhe des Sees auf die eigene Seelenlandschaft überschwappen.
Wie ein ruhiger Fluss plätschert die Genusstour am Weissensee vor sich hin. Und irgendwo zwischen Floßfahrt und gemütlichem Spaziergang lässt sie dabei ganz ohne große Anstrengungen die Ruhe des Sees auf die eigene Seelenlandschaft überschwappen.
Es ist kurz vor 9.00 Uhr. Wir sind früh dran. Ein bisschen zu früh für Franz „Lacki“ Lackner, unseren Flößer, der noch ein paar Minuten braucht, um das Gefährt, das uns später über den Weissensee schippern soll, flottzumachen. Macht aber nichts. Das Farbenspiel, das der See heute mit Blick Richtung Westen bietet, ist vorerst Programm genug. Es hat heftig geregnet in der Nacht. Noch hängen Wolken am Himmel. Aber nicht dunkel und regenversprechend, sondern hell und von immer größeren, tiefblauen Fenstern zerfranst. Das Gras auf den Wiesen rund um den See, das sich in den letzten Stunden ordentlich satttrinken konnte, steht hoch. Gemeinsam mit den Wäldern und Schilfflächen ergibt es ein Allerlei vom Grün. Es klart auf. Die Luft ist wie ausgeputzt. Ganz automatisch atme ich tief ein. Langsam und bewusst.
Von mir aus könnten wir gerne einfach hier warten, aber Naturpark-Ranger Paul hat eine Idee: Er nimmt uns mit zum einzigen Berufsfischer am Weissensee. Es ist Martin Müller, der nur wenige Meter entfernt seinen Fang verkauft. Was er erzählt, klingt nach Idylle und Sisyphusarbeit. Von der Wasserqualität her ist der Weissensee nämlich nach wie vor unübertroffen. Gleiches gilt für die Vielfalt und Menge an Fischen, die sich hier tummeln. Doch nachdem in den 30er Jahren Reinanken, Karpfen und andere Fische hier eingesetzt wurden, hat sich das Ökosystem verändert. Die Seeforelle beispielsweise ist beinahe ausradiert. Martin Müller macht es sich seit Jahren zur Aufgabe, sie wieder zu einem Bestandteil des Sees zu machen. Die Tatsache, dass von den 2.000 Kilogramm, die er im Jahr aussetzt, 1.980 Kilo vom Hecht „verspeist“ werden, bringt ihn davon nicht ab. Ein Weissensee wie vor 100 Jahren? Er würde das nicht zwingend als Nachteil empfinden und diese Philosophie teilt er wohl mit vielen hier.
Zurück am Floß kriegen wir von „Lacki“ ein kurze, aber klare Einweisung: „Fiaßwackn verboten!“ Soll heißen, wir sollen es uns auf den Bierbänken gemütlich machen und nicht ganz am Rand des Floßes. Gelegenheit, um die Füße ins Wasser zu tauchen, werden wir später noch bekommen.
Auch Naturpark-Ranger Paul gibt uns Zeit, den See wirken zu lassen. „Die ersten 30 Minuten werd‘ ich die Klappe halten“ sagt er, setzt sich hin und macht ein paar Bilder mit seinem Handy. Die Sonne ist rausgekommen. Das Wasser so klar, dass wir mit Leichtigkeit die Fische um uns herum ausmachen. Ein kurzes Stück werden wir von einem Haubentaucher begleitet. Der See ist spiegelglatt. Erst türkis, etwas weiter draußen wird er dunkler. Wir fahren Richtung Süd-Osten. Geschoben wird das Floß von einem 15 PS starken Motorboot mit einer Geschwindigkeit von ganzen 6 km/h. Es geht langsam dahin. Trotzdem entsteht ein zarter Fahrtwind, der angenehm über die Haut streicht. Die Stimmung ist ruhig, fast andächtig. Nur vorne am Floß gluckert es gemütlich und gleichmäßig vor sich hin.
Als wir fast die Süduferseite erreichen, beginnt Paul zu erzählen. Darüber, dass die Weissenseer es ihren Vorgänger-Generationen zu verdanken haben, dass der See heute ein Naturparadies ist, weil sie sich bewusst gegen eine Durchzugsstraße entschieden haben. Über die Bauern, die heute noch das Recht hätten, den See zu befischen, aber des Frieden willens darauf verzichten. Oder über die Tatsache, dass der See zu 95 Prozent aus Quellen gespeist wird. Nur Augenblicke später macht Paul eine dieser unzähligen Quellen aus. Kreisrund und wie eine leichte Delle im Boden, sieht sie aus. Fast ein wenig unspektakulär, aber der Hecht, der ganz ruhig darübersteht, dürfte diese „Frischwasser-Dusche“ genießen.
Unser „Rettungshund“ Twister registriert als erster, dass wir bald anlegen und bringt sich ganz vorne am Floß in Position. Wenig später balancieren wir über eine Bierbank ans Ufer. Vor uns tut sich eine Wiese auf, wie man sie nur in den Tagen vor der ersten Mahd zu Gesicht bekommt. Sattgrün und gleichzeitig voller bunter Farbtupfer. Paul nennt sie die „Bärenwiese“, weil die Bienenstöcke hier schon mal von einem der braunen Großpranken ausgeraubt wurden. Am Laka, dem bewaldeten, 1.851 Meter hohem Berg, der sich dahinter auftut, hat man auch schon Luchse gesichtet.
Ich richte den Blick Richtung Gipfel und mache am Himmel zwei Mäusebussarde aus, die die Thermik am Berghang nutzen, um immer höher zu steigen. Es wird spürbar wärmer. Die letzten Wolken lösen sich auf und unsere kleine Gruppe setzt sich gemütlich in Bewegung. Ich staune über das botanische Basiswissen meiner Begleiter, die vom Wiesenbocksbart über die Witwenblume, den Hornklee, die Teufelskralle, den Frauenschuh und weiteren Orchideen so gut wie jede Blume benennen können, auf die Paul uns aufmerksam macht.
Zuerst spazieren wir nahe am Ufer entlang, aber schon bald wird aus dem Weg ein keiner Steg, der in den Wald führt. Der Schatten tut gut. Die Luft ist ein wenig in Bewegung und streicht frisch über die Haut. Weich wie ein Teppich scheint der Boden unter meinen Füßen bei jedem Schritt ein wenig nachzugeben.
Wenig später wird der Wald lichter und wir erreichen den Paterzipf. „Lacki“ erzählt, dass wir hier auf den Spuren Millionen Jahre alter Gesteine wandern, die mit ihren Versteinerungen von den Lebewesen erzählen, die in diesem längst verschwundenen Meer beheimatet waren. Ich glaube nicht, dass mir das Glück heute so hold ist, dass ich auf die Schnelle eine dieser Versteinerungen finde. Also setze ich mich lieber ans Ufer, lausche der Stille und schaue Twister dabei zu, wie er seine Pfoten im See erfrischt.
Die Klarheit des Wassers und die Ruhe überträgt sich völlig mühelos auf meine Stimmung. All die Aufgaben auf meiner To-do-Liste, die im Alltag ständig wie Warnhinweise aufblinken, weichen ganz weit in den Hintergrund. An ihre Stelle tritt die Erkenntnis, dass ich genau das, was ich jetzt mache, viel öfter tun sollte. Und eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass ich das kann, weil ich gar nicht so weit weg von hier zu Hause bin.
Ich kann mich nur schwer von diesem Ort lösen und betrete als letzte wieder das Floß. Die Stimmung ist jetzt anders. Ausgelassener. Voll neuer Impressionen wird viel geredet und gelacht.
Und dann bekommt die Genusstour den kulinarischen Charakter, den sie dem eigens erwähnten Berufsfischer Martin Müller verdankt. Er ist Slow-Food-Partner aus tiefster Überzeugung und sein Fang in der lokalen Gastronomie aufgrund der unvergleichlichen Qualität extrem begehrt. Ganz im Sinne seiner Philosophie nehmen auch wir uns ordentlich Zeit, die von ihm arrangierten Fischplatten mit kalt- und heißgeräucherten Reinanken und Lachsforellen zu genießen, zu denen ein Zitronen-Öl durchgereicht wird. Außerdem gibt es süß-sauer eingelegten Fisch, den wir mit einem fruchtig-süffigen Glas Oachkatzl Wein aus dem Hause TrippelGut aus der Region Mittelkärnten verkosten.
Im Gespräch mit meinem Gegenüber, einem langjähriger Weissensee-Urlauber aus Deutschland, fällt ein spannender Satz: „Ich bin begeisterter Harley-Davidson Fahrer“, sagt er, „aber wenn ich hier am See das Geräusch eines Motorrades höre, empfinde selbst ich es als störend“. Tja, das ist es wohl. Die stillen Wasser machen uns hellhörig für das, was wir eigentlich brauchen.
Termine:
Jeweils Freitag (10. Mai bis 28. Juni 2024, 03. Juli bis 28. August 2024, 06. bis 18. September 2024)
Ausgangspunkt:
Neusach, Umkehrschleife, Dorfplatz
Startzeit | Dauer:
9:30 – 12:30 Uhr | 3 Stunden
Mindestteilnehmerzahl: 4 Personen
Preis:
Erwachsene: € 61,– | Kinder (bis 14 Jahre): € 31,–
Leistung:
Geführte Lebensraumbegehung durch spezialisierten Guide
Fahrt mit dem Genussfloß
Kulinarische Verwöhnung mit Weissensee-Fisch
Anmeldung:
bis jeweils Mittwoch 16 Uhr
Weissensee Information Techendorf 78
+43 4713 / 22 20 info@weissensee.com
Online-Buchung:
Weitere Magische Momente:
Bilder und Text: Sabine Salcher
Als selbständige Werbetexterin mit Hang zu Technik-Themen, ist das Schreiben über die vielen großen und keinen Naturwunder Kärntens jedes Mal wie ein echter Kurzurlaub für mich.
Die große Jagd nach Höhenmetern? Das Zurücklegen möglichst vieler Kilometer? Brauch‘ ich gar nicht! Stehenbleiben und Staunen ist manchmal viel besser. In meiner Freizeit wird mir deshalb auch bei den scheinbar unspektakulären Dingen wie dem Erkunden neuer Hunde-Runden, dem Teenager-in-die-Natur-treiben oder gemütlichen Stand-up-Paddeln über den See eines immer wieder bewusst: Direkt vor der Haustür wartet ein echter Luxus in Form von natürlicher Vielfalt, Erholung und Inspiration auf mich.